Da mussten tatsächlich drei Faktoren zusammenkommen, dass ich mich am Mittwoch von meinem bequemen Leben aus Strand und kleinen Ausflügen aufraffte, um die Nachbarinsel Amrum zu besuchen. Erstens war für Mittwoch perfektes Sommerwetter mit wenig Wind und 26°C angesagt, was bei den wechselnden Wetterverhältnissen (mal viel Wind und recht kühl, mal wieder bedeckt mit ein paar Regentropfen, dann wieder warmes Sommerwetter) eine sehr gute Ausgangslage darstellte. Und zweitens fährt nur von Sonntag bis Mittwoch schon um 10:10 die Adler Cat von Hörnum nach Wittdün auf Amrum: Das erlaubt zwischen 11:00 und 17:45 einen schön langen Aufenthalt. Ansonsten fährt nur täglich um 12 Uhr die Adler-Express, welche um 12:45 in Wittdün ankommt, was dann einen etwas kürzeren Aufenthalt nach sich zieht. Und drittens war dies schon meine dritte und letzte Urlaubswoche auf Sylt!
Um 10:10 ging’s pünktlich aus dem Hafen in Hörnum und ich konnte (mindestens für ein paar Stunden) schon mal den Abschied von Sylt proben.


Hinten auf dem unteren Deck hat man eine schöne Aussicht, aber es ist auch unheimlich laut und es stinkt nach Diesel. Geht ja aber nur eine 3/4 Stunde. Dafür sieht man auf der Fahrt noch die Seehunde auf der Sandbank ihren wohlverdienten Schlaf geniessen.
Amrum liegt mitten im Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“, der seit 2009 Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer ist. Was weltweit grösste zusammenhängende Wattenmeergebiet steht damit auf einer Stufe mit dem Great Barrier Reef, dem Grand Canyon und der Serengeti. Richtung Südwesten sind bei klarer Sicht die ausserhalb des Nationalparks gelegenen Windräder des Windparks „Amrum-Bank West“ zu erkennen. Direkt westlich von Amrum befindet sich ein Walschutzgebiet im Nationalpark. Hier kommen Schweinswale besonders häufig vor und nutzen den Bereich, um ihre Kälber grosszuziehen. Dort liegen in der Schutzzone 1 des Nationalparks drei Sandbänke, die jedoch zusehends an Höhe verlieren und immer öfter überflutet werden: Daher weichen Kegelrobben, die dort im Winter ihre Jungen werfen wollen, immer häufiger auf den Kniepsand aus.
In Wittdün bleiben dann nur die Fahrgäste an Board, welche weiter bis nach Helgoland wollen. Reisende nach Föhr und/oder die Halligen steigen in das andere Schiff am Hafen um. Reisende nach Amrum (so wie ich) steigen in kein anderes Schiff um und suchen sich dann meist einen Fahrradverleih. Ich habe mich gleich für den ersten Fahrradverleih am Hafen entschieden und hatte mein Fahrrad nach kurzem Schlangestehen und Formularausfüllen rasch ausgeliehen (für nur 10€/Tag). Dann ging’s auch schon los entlang des Fahrradweges an der Wattseite der Insel! Wunderbare Ausblicke – Entschleunigung und Entspannung pur! Kurz vor Nebel bemerkte ich trotz Entspannung, dass der Sattel meines Fahrrads gar nicht richtig an der Sattelstange befestigt war. Die Schrauben waren total lose, der Sattel wackelte und verschob sich nach hinten – gut ist nichts passiert! So habe ich den nächstbesten Fahrradverleih in Nebel ausgesucht, wo der Fahrradmechaniker die beiden Schrauben der Halterung rasch angezogen hatte. Für die wunderbaren Häuser, die schmucke St. Clemens Kirche und die Kapitäns-Grabsteine mit den langen Geschichten gönnte ich mir weniger Zeit, denn die hatte ich mir vor sechs Jahren ja schon mal angeschaut (siehe hier – da kostete das Fahrrad noch €8.50/Tag und es war Ende Mai bei 12°C ziemlich kalt). Denn ich wollte bei dem schönen Sommerwetter lieber etwas länger die Strände ausprobieren! Also fuhr ich in einem Rutsch ganz in den Norden (rund 10km) bis zur Amrum Odde.


Von dort ging’s zurück an den Strand von Norddorf. Dort das Fahrrad abgestellt und dann den gigantischen Kniepsand bewundert. Bis zum Wasser geht man ein ganz schönes Stück! Dort habe ich zuerst mal den Blick nach Hörnum/Sylt genossen bevor ich mich kurz im warmen Wasser etwas abkühlte. Dann erst war der mitgebrachte Lunch an der Reihe!



Frisch gestärkt konnte es nun zurück in den Süden gehen. Kurz hinter Norddorf darf man den Abzweiger in den Wald Richtung Vogelkoje nicht verpassen. Denn nun geht es fast die ganze Strecke im angenehm kühlen Schatten durch den Wald. Zwischenhalte kann man bei den verschiedenen Aussichtspunkten in den Dünen und bei der Vogelkoje machen. Ich wollte aber nochmals an den Strand!
Ursprünglich war der Kniepsand eine Sandbank, die westlich von Amrum lag. In einer Seekarte von 1585 ist er noch als „Ameren bror“, Amrumer Barriere, verzeichnet. Im 18. Jahrhundert war der Kniepsand bereits auf der Höhe des Leuchtturmes mit der Insel verbunden und bildete zusammen mit der Insel den Kniephafen. Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bot der Kniephafen Fischerbooten Schutz und wurde für Austernkulturen genutzt. Inzwischen lehnt sich der Kniepsand an die ganze Insel bis in den Norden an. Es haben sich schon ausgedehnte Primärdünen gebildet. Die versandeten Bereiche des Hafens sind nun Brackwasserlagunen und Strandsalzwiesen. Auf dem Strand finden sich neben botanischen Besonderheiten auch wichtige Brutplätze für Arten wie Sandregenpfeifer und die seltene Zwergseeschwalbe.
Das habe ich dann beim Leuchtturm gemacht. Das Fahrrad kurz durch den Sand bis zum Fahrradparkplatz schieben, die hohen Dünen erklimmen, dem Geschrei der Möwen zuhören, den Leuchtturm bestaunen und schon hatte ich die fantastische Weite des Strandes vor mir.




Da durfte ich nochmals ganz schön weit gehen, bis ich das trübe und fast spiegelglatte Nordseewasser erreicht hatte. Aber hier liess es sich aushalten, bis ich mich dann doch mal auf nach Wittdün zum Fähranleger machen durfte.


Am Fähranleger wird’s dann für Amrumer Verhältnisse etwas turbulent. Denn die Leute müssen zwischen drei Fähren umgeschichtet werden: Die Leute steigen ein und um nach Sylt, Föhr/Langeness/Dagebüll oder nach Hallig Hooge/Nordstrand. Da es hier auf Amrum extremst entspannt zugeht, muss die Herausforderung der Verkehrslenkung schon eine tägliche Stresssituation darstellen. Ich fand’s auf jeden Fall amüsant und habe das richtige Schiff (die Adler Cat) gewählt. Zurück ging’s dann wieder mit hoher Geschwindigkeit (und viel Lärm) nach Hörnum.



Nach diesem Besuch von Amrum konnte ich auf jeden Fall verstehen, warum Familien immer wieder Urlaub auf dieser Insel machen. Und ich habe auch halbwegs verstanden, warum Sylt von vielen als hektisch beschrieben wird. Es kommt halt immer auf die Referenz an, auf welche man sich bezieht. Also ich habe Sylt als total tiefenentspannt erlebt, und auch vom vielzitierten „Verkehrschaos“ habe ich überhaupt nichts wahrgenommen.
Mit diesen Gedankengängen bin ich dann knapp vor 19 Uhr auf dem Hörnumer Fährparkplatz in mein Auto gestiegen und habe mich auf der Fahrt schon auf das Abendessen gefreut, welches im Kühlschrank der Fewo auf seine Zubereitung wartete. Mein Magen knurrte, was mich nach so viel Bewegung und dem mitgebrachten kleinen Lunchpaket auch nicht erstaunte.