Christchurch – Eine Stadt baut weiterhin an ihrer Zukunft

Die letzten beiden Tage meiner Neuseeland-Reise verbringe ich in Christchurch. Die mit 380’000 Einwohnern grösste Stadt der Südinsel ist gleichzeitig auch die älteste Stadt Neuseelands.

Christchurch wurde 1856 offiziell gegründet und gilt als die „englischste Stadt“ des Landes. Tatsächlich erkennt man auch nach dem Wiederaufbau diesen britischen Einfluss an jeder Strassenecke, sogar wortwörtlich: Alle Strassen, Plätze und sogar der Fluss sind nach wichtigen Orten oder Wahrzeichen Englands benannt. Bei einem Blick auf den Stadtplan fällt das Gittermuster der Strassen in Christchurchs Innenstadt auf, nur die High Street ist eine diagonale Ausnahme. Der britische Stadtplaner, der für das „Design“ der Stadt zuständig war, orientierte sich auch hier stark am englischen Vorbild.

Christchurch ist moderne und lebendige Stadt: Einkaufen und ausgehen ist hier ebenso möglich, wie in zahlreichen in Museen und Gallerien Kunst und Geschichte zu erkunden.

Am 22. Februar 2011 wurde Christchurch Opfer des schlimmsten Erdbebens in der Geschichte Neuseelands. Das Erdbeben ereignete sich um 12:51 Uhr – zur Hauptgeschäftszeit. Die Straßen und Bürohäuser der Innenstadt waren gefüllt mit Menschen. Viele von ihnen wurden unter Häuser-Trümmern begraben, die Bergungsarbeiten dauerten mehrere Tage an. Fast 6’000 Personen wurden verletzt, 185 Menschen (davon 130 im Zusammenbruch des Gebäudes der Canterbury Television and Pyne Gould Corporation) kostete das Erdbeben das Leben. 1’500 Gebäude wurden bis zum September 2013 ganz oder teilweise zerstört.

Das Erdbeben hielt endlose 24 Sekunden an. Als sich der Staub schliesslich legte, hatte sich Christchurch für immer verändert. Viele der historischen Häuser hielten dem Beben nicht stand und fielen in sich zusammen. Das größte Opfer: Die Christchurch Cathedral, heißgeliebtes Wahrzeichen der Stadt. Die Kirche wurde vor allem durch die heftigen Nachbeben so sehr zerstört, dass sie seit inzwischen 6 Jahren nicht mehr betreten werden kann. Wie ein trauriges Denkmal wartet sie nun mitten in der Stadt auf ihr Schicksal: Inzwischen wurde entschieden, dass sie wieder Stein für Stein neu aufgebaut werden soll.

Die Einwohner Christchurchs nennen ihre Stadt „City of Cranes“, Stadt der Kräne: Baustellen,Kräne und Pylonen in grellem Orange dominierten über Jahre das Bild. Auch nach 9 Jahren sind in der Stadt Aufbauarbeiten im Gange. Weil kurz nach der Katastrophe alles daran gesetzt wurde, die Wohnhäuser so schnell wie möglich wieder bewohnbar zu machen, wurden manche Gebäude in der Innenstadt erst danach gebaut. Ein grosser Teil der alten Stadtvillen allerdings konnte nicht gerettet werden. Davon zeugen in manchen Wohnvierteln, beispielsweise Avonside, die auffallend vielen Gärten und Grünflächen.

Auch im Zentrum gibt es noch viele Brachflächen, die als Parkplätze benutzt werden.

Mitten in einer solchen Brachfläche steht das ehemalige Postgebäude, welches unbeschädigt blieb.

Aber die Einwohner müssen sich langsam daran gewöhnen, vom kreativen und temporären Arbeitsmodus in Containern und anderen Behelfsgebäuden wieder in modernen und neuen Gebäuden zu arbeiten. Die Angst besteht, dass dabei viel der neu gewonnenen Kreativität in der Künstlerszene vielleicht wieder erstickt wird.

Auch arbeitet die Stadtverwaltung daran, in dieser Phase wieder vermehrt Wohnungen im Zentrum zu schaffen, um dieses auch ausserhalb der Bürozeiten wieder belebter zu gestalten.

Nachdem ich Montag gerade um 9 Uhr meinen Campervan abgegeben hatte und mit der Purple Line in’s Zentrum zurück gefahren war, habe ich mir ein Tagesticket für die historische Strassenbahn gekauft, welche rund und quer durch das Zentrum fährt. 4 restaurierte Trams fahren im Viertelstundentakt die etwa fünfzigminütige Runde.

Mich hatte rund um das Hotel schon ziemlich beeindruckt, wieviel Fläche der Stadt noch als Brache da lag und wieviele Häuserruinen auch nach 9 Jahren noch herumstanden. Das Zentrum steht grösstenteils auf ausgetrocknetem Schwemmland: In dieses ist während und nach dem Erdbeben viel Wasser eingeflossen, welches den Grund sehr instabil machte. Deshalb mussten weitere Gebäude später abgerissen werden.

Im Zentrum imponierten aber moderne und neue Geschäftsstrassen, in der auch an zahlreiche Ausgehmöglichkeiten mit (Terrassen-) Restaurants und Food Courts gedacht wurde.

Mittendrin stehen aber auch noch einige historische Gebäude, teils in Betrieb, teils (noch) abgesperrt.

Wenn ich den aktuellen Stand der Bebauung mit Google Street View vergleiche, hat sich diesbezüglich sehr viel getan. Aber somit ist vieles noch sehr neu und für eine so grosse Stadt schon noch etwas unbelebt. Das ist (noch) kein Vergleich mit der Lebendigkeit von Auckland oder Wellington.

Aber mit einem guten Team würde es hier sicher Spass machen, ein neues und/oder eigenes Business zu starten und so einen Beitrag zu den kreativen Kräften der Stadt zu leisten. Die Gebäude sind ja inzwischen alle erdbebensicher gebaut…

Nachdem ich den ganzen Tag durch das Zentrum geschlendert bin und mit der Strassenbahn wohl mindestens zwei Mal die Runde gemacht hatte, habe ich abends einen weiteren Food Court (im EntX: Christchurch Entertainment Central).

Den nächsten Tag habe ich bis nach dem Mittag im botanischen Garten verbracht und dann am späteren Nachmittag angefangen, den Koffer zu packen.

Meine Highlights in der Stadt waren:

137 Jahre lang war die Christchurch Cathedral das zentrale Prachtstück von Christchurch. Nun zeigen die Reste der schönen Kirche eindrucksvoll, mit welcher Wucht das verheerende Erdbeben im Februar 2011 zahllose Gebäude zerstörte. Der Glockenturm der neugotischen Kathedrale hielt den Erschütterungen nicht stand und stürzte ein. Nach den letzten Nachbeben mussten weitere Teile der nun einsturzgefährdeten Kirche entfernt werden. Vom Cathedral Square aus kann man die Kathedrale und ihre offene Wunde betrachten. Das ehemals imposante Bauwerk sieht aus, als hätte es jemand entzwei gerissen.

Die „Transitional Cathedral“ wurde nach dem Erdbeben als Ersatz für die ruinierte Christchurch Cathedral gebaut. Der japanische Architekt verbaute dicke Papprohre im zeltförmigen Dach der Kirche, die dem Gebäude seinen Spitznamen „Cardboard Cathedral“ gaben. Von der ersten Idee von einer „Notfall-Kirche“ bis zum fertiggestellten Projekt vergingen nur zwei Jahre. Die Kirche soll eine Lebenserwartung von ca. 50 Jahren haben: Hoffentlich wurde bis dann entweder die richtige Kathedrale wieder neu aufgabaut oder es wurde eine andere Lösung gefunden.

Ganz in der Nähe der Cardboard Cathedral erinnern 185 weiss angemalte Stühle (185 White Chairs) an die Todesopfer des Erdbebens.

Auf einem Stadbummel muss man auf jeden Fall die New Regent Street besuchen. Die Strassenbahn fährt jedenfalls mitten durch. Dieser schmale Strasse wird als die hübscheste Strase Neuseelands bezeichnet. Die pastellfarbenen Häuser wurden Anfang des letzten Jahrhunderts im spanischen Stil erbaut und gehören seitdem zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Christchurch. Dank ihrer stabilen Bauweise wurden die Häuser während der Erdbeben-Katastrophe kaum beschädigt.

Ganz in der Nähe kann man die letzten Überbleibsel eines abgerissenen Hochhauses sehen. Auf den Betonpfeilern hat sich eine Kolonie von Möwen installiert, welche hier mitten in der Stadt nistet und ihre Jungen aufzieht. Ein Spektakel, fast so gut wie die Brutkolonien an der Küste.

Der Worcester Boulevard ist eine weitere sehr schöne, historische Strasse. Hier findest man auf der einen Seite viktorianische Holzvillen und auf der anderen Seite imposante Steinbauten. Das Arts Centre Te Matatiki Toi Ora wurde in Rekordzeit schon zu gut der Hälfte wieder neu aufgebaut und restauriert. Sehr beeindruckend, wie man die alten Gebäude neu wieder originalgetreu aufgebaut hat. Sie sind Heimat vieler Kunstbetriebe, Läden und Cafés.

An der Rolleston Ave, ganz in der Nähe, liegt das sehr englische Christ’s College, in welchem auch ein Harry Potter Film gedreht werden könnte.

Der botanische Garten liegt am Ende des Worcester-Boulevard. Auch in diesem grosszügig angelegten Park sieht man Christchurchs britisches Erbe eindeutig an. Die eleganten Blumenbeete, die über hundert Jahre alte Peacock-Fountain und die historischen Gebäude rund um den Garten erinnern an englische Gärten in London oder Edinburgh.

Wenn man einen Stadbummel macht, kann man den Avon River kaum verpassen. Er fliesst durch das Suburb Avonhead und einmal quer durch Christchurchs Stadtzentrum. Genau wie sämtliche Strasen in der Innenstadt trägt der Fluss einen altehrwürdigen, britischen Namen: Er wurde benannt nach einem gleichnamigen Fluss in Schottland. Auf dem Fluss kann man sogar eine Gondelfahrt unternehmen…

Und zu guter Letzt lässt man in Christchurch auch ein urbanes Phänomen offiziell leben, welches die ganze Welt erobert: Street Art. Künstler aus aller Welt haben die Gelegenheit ergriffen und sind auf die Strasse gegangen, um Meisterwerke der Farbe und Kreativität zu schaffen, welche nun Gebäudewände schmücken. Von riesigen Wandgemälde bis hin zu kleinen Bilder findet man sehr viel Kunstwerke, die unterhalten und inspirieren können. Durch neue Gebäude, entsteht auch mehr Kunst. Allerdings verdecken viele neue Gebäude auch bestehende Kunstwerke und so verstecken sich die Vögel, Elefanten und Kiwiana in Seitenstrassen…

Nach 2 Tagen in Christchurch hätte ich als nächstes sicher noch Strände von Sumner oder den Hafenort Lyttelton besucht.

Aber mein Flieger nach Singapore fliegt am Mittwoch Mittag und ich kann aus dem Fenster dem Land mit der langen weissen Wolke ein Byebye winken.

Nach fast 5 Monaten auf Achse und unendlich vielen schönen Erlebnissen freue ich mich wieder auf mein Zuhause und hoffentlich bald einen neuen Job!

1 Kommentar zu „Christchurch – Eine Stadt baut weiterhin an ihrer Zukunft

  1. Zum zehnten Jahrestag des katastrophalen Erdbebens in Christchurch hat Matthias Stadler auf NZZ.ch darüber geschrieben (Link), wie die Stadt langsam aus den Trümmern aufersteht und welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind.

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