Drei jungsteinzeitliche Bauten in kann der interessierte Laie in Locmariaquer besichtigen. Ich bin heute recht früh losgefahren und durfte auf dem Parkplatz vor dem „Museum“ noch 20 Minuten bis 10 Uhr warten. Ich stand im Schatten, das war angenehm. Dafür war ich dann auch der erste Gast und konnte die drei Bauten ganz alleine besichtigen. Und das auch noch vor der mittäglichen Hitze, die auch heute wieder rund 30° (mit einem angenehmen, aber sehr warmen, Wind) erreichen wird. In einem zweiten Teil berichte ich dann noch über die Alignements von Carnac, deren gigantische Ausmasse mich nur noch staunen lassen. Man kann hier unterwegs aber vielerorts anhalten und Dolmen, Tumulusse und Menhire einzeln oder in Alignements besichtigen.
Ich habe mir erlaubt, die Broschüre des Locmariaquer Rundgangs (€6.5 Eintritt) untenstehend zusammenzufassen, damit ich mich selber besser an diese eindrücklichen Monumente erinnern kann. Die wichtigsten Fachbegriffe habe ich unten auch noch angefügt. Viel Spass beim Lesen und Anschauen!
Mehrere tausend Monolithen, die in der Region (zwischen Lorient und Auray) vor 6’000 Jahren aufgestellt wurden, bilden seit der Vorgeschichte der Menschheit eine der spektakulärsten Megalithanlagen der Welt. Nach den jüngsten archäologischen Ausgrabungen wurde die besucht Stätte von Locmariaquer in mehreren Phasen errichtet. Das 5. Jahrtausend v. Chr. war durch eine offene Bauweise gekennzeichnet: Einzelne oder als Alignement aufgestellte Steine wiesen auf einen heiligen Ort hin. Es sind riesige Menhire von einer Größe von 6 bis 20 m – den Rekord hält der mit Gravuren verzierte Menhir von Locmariaquer (gegen 4’300 v. Chr). Um 4’000 v. Chr. entstanden Grabstätten, zunächst als Einzelgräber: der Tumulus „Tumuls d’Er Grah“, dann als Kollektivgräber: der Dolmen „Table des Marchands“.
Der Volksglaube sieht den Ursprung der Megalithen im Unsichtbaren, Wunderbaren, Heiligen. Dank des Interesses, das sie seit dem 18. Jh. hervorrufen, konnten sie erhalten und ab dem 19. Jh. von Archäologen erforscht werden. Schließlich erhielten sie im 20. Jh. durch Restaurierungen ihr ursprüngliches Aussehen zurück.
Die Menschen der Jungsteinzeit waren sesshafte Bauern und Viehzüchter, die in Dörfern zusammenlebten. Diese Dorfgemeinschaften mussten perfekt organisiert gewesen sein, um solche Bauten errichten zu können. Sie sind ein klares Zeichen für eine Hierarchisierung der jungsteinzeitlichen Gesellschaft: Ein Chef, Architekten, welche die Widerstandsfähigkeit der Materialien kennen und die Masse beherrschen, Priester, die die Menschen vereinen, und Arbeiter. Es ist anzunehmen, dass eine Vielzahl von Akteuren am Bau beteiligt war. Daraus lässt sich auf eine hohe Bevölkerungsdichte in der nahen Umgebung schliessen.
Die Steinblöcke wurden wahrscheinlich mit Hilfe von Schlagsteinen aus dem Granitgestein herausgehauen. Es gab keine Steinbrüche für Menhire, sondern bereits erodierte Felsansammlungen wurden auf kluge und die natürlichen Gegebenheiten ausnutzende Weise verwendet. Der Transport der so erhaltenen Megalithen konnte mit Hilfe von Seilen und Rollen aus Holz erfolgen. Dann wurden sie in sehr sorgfältig vorbereitete Vertiefungen einge- setzt. Die Schwierigkeit dabei war sicherlich, das Ende des Steins in diese hineingleiten zu lassen. Einweihungsfeierlichkeiten begleiteten das Errichten der Megalithen.
Der „Grand Menhir brisé“
Dieser Monolith, der grösste der Vorgeschichte der westlichen Welt – ein gigantischer, mehr als 20 m langer Granitblock- liegt heute in vier Teile zerbrochen auf dem Boden. Aufgerichtet erreichte er eine Hohe von 18,5 m. Der 280 t schwere Block wurde aus einem auf der Halbinsel von Locmariaquer nicht vorkommenden Granit gehauen und muss von den jungsteinzeitlichen Menschen über mehrere Kilometer mit einer für uns ungewissen Technik transportiert worden sein. Um ihn aufzurichten, haben sie wahrscheinlich eine Erdrampe angelegt, den Menhir eine Vertiefung gleiten lassen, ihn dann mit Hilfe von Hebeln und Hebeböcken aus Holz aufgestellt und schließlich mit Steinen und Erde verankert. Sobald er aufrecht stand, ist er mit Schlagsteinen aus Quarz vollständig geglättet worden. Hinter dem Grand Menhir befanden sich früher 18 weitere Menhire. Diese um 4’500 v. Chr errichtete Steinreihe, die ein eindrucksvolles geradlinig angcordnetes Ensemble darstellte, wurde gegen 4’300-4’200 v. Chr. zerstört. Sind diese großen Stelen umgestürzt oder hat man sie absichtlich umgestossen? Diese Frage konnte von der Wissenschaft bis heute nicht geklärt werden.
Der Dolmen „Table des Marchands“
Dieses gegen 3’900 v. Chr. erbaute Ensemble wurde bis zum Beginn der Bronzezeit um 2’000 v. Chr. genutzt. Die archäologischen Ausgrabungen haben ergeben, dass die Steinplatte im hinteren Bereich älter als der Dolmen selber ist. Sie stammt aus der gleichen Zeit wie das Alignement des Grand Menhir und ist auf beiden Seiten mit Gravuren versehen. Bei der Zerstörung der Steinreihe des Grand Menhir blieb sie an ihrem ursprünglichen Platz bestehen und der Dolmen wurde um sie herum errichtet; es war folglich eine Anpassung an ihre Höhe notwendig. Aufgrund der spitzbogigen Form dieser Steinplatte und der Einrahmung, die sich aus dem Hervortreten der Skulptur aus der Wand ergibt, kann man sie in die Kategorie der Schildidole – ein in der Region verbreitetes Motiv – einordnen. Die Decke des Grabganges wird zunehmend höher, vielleicht um zu verdeutlichen, dass man sich der Grabkammer, dem heiligsten Ort, nähert.
Die sichelförmigen Symbole rundherum werden als Zeichen der spirituellen Ausstrahlung der Gottheit gedeutet. Bei den in der jungsteinzeitlichen Kunst sehr verbreiteten Krummstab-Motiven auf der Steinplatte geht man davon aus, dass sie die Macht der Gottheit versinnbildlichen und vielleicht auch die sazerdotale Funktion der Priester. Die Inschrift ,,Gazelle“ in der Mitte der Stele stammt vermutlich aus dem 20. Jh. Die Deckplatte ist mit Gravuren verziert: Ein Beil mit Stiel, ein Krummstab und der untere Teil eines Horntiers. Ein anderer Teil des Tieres befindet sich in 4 km Entfernung auf dem Deckstein des Dolmens von Gavrinis. Als letztes könnte dazu noch der Steinblock gehören, der das Grabgewölbe des Tumulus d’Er Grah bedeckt. Ursprünglich bildeten die drei Teile vielleicht einen Menhir von 14m Höhe.
(Fotos von Replikas)
Der Tumulus d’er Grah (oder Er Vinglé)
Dieses gigantische Monument gehört zu den Grabstätten mit verschlossener Gruft. Seine Größe und das im Innern gefundene Material deuten darauf hin, dass es sich um Gräber von bedeutenden Personen handelt. Der Tumulus entstand in mehreren Phasen: Gegen 4’500 v. Chr. wurden sehr kleine Cairns über einigen Gruben errichtet, u. a. jene, in denen man zwei Rinderskelette fand. Gegen 4’200 v. Chr. wurde die kleine Grabkammer angelegt, die von einem kreisförmigen Cairn eingeschlossen ist. Gegen 4’000 v. Chr. schließlich wurden im Norden und Süden zwei Erweiterungen aus niedrigen Steinmauern gebaut, die eine Masse aus steinbedecktem grauen Lehm stützen. Damit erhielt das Bauwerk eine Gesamtlänge von 140m. Im 19. Jh. kannte man von d’Er Grah nur die Grabkammer, die bereits zuvor geplündert worden war. Das als Steinbruch (daher der Name d’Er Vinglé, „Steinbruch“ auf Bretonisch) genutzte, äußere nördliche Ende ist heute nicht mehr vorhanden. Trotz einer punktuellen Ausgrabung durch Zacharie Le Rouzic im Jahr 1908 geriet das mit Pflanzen bewachsene und zum Teil eingestürzte Monument bis 1991 in Vergessenheit. Im darauf folgenden Jahr erhielt der Tumulus nach einer Restaurierung seine ursprüngliche Größe zurück.
Die Umgebung ist auch sehr beschaulich. Maritime und dörfliche Bretagne vom Feinsten: Das macht richtig Lust auf mehr Urlaub.
Begriffe
- Alignement: aufgestellte und in einer Reihe angeordnete Steine
- Cairn: Monument aus Stein, das Gräber bedeckt
- Dolmen („Steintisch“ auf Bretonisch): Grabkammer, zu der manchmal ein Grabgang gehört und die durch horizontale Steine begrenzt wird
- Hebebock: Hebevorrichtung oft aus drei Holzbalken, die in Form einer dreiseitigen Pyramide angeordnet sind
- Megalith: von griechisch ,mega“ (groß) und lithos“ (Stein); es handelt sich also um einen großen Stein
- Menhir: bretonisches Wort mit der Bedeutung langer Stein“
- Monolith: Bauwerk aus einem einzelnen Steinblock
- Schildidol: „eingerahmte“ Darstellung einer Gottheit
- Tumulus: künstlicher Hügel, der ein oder mehrere Gräber bedeckt und aus Steinen und Erde besteht; je nach Anteil Materialien spricht man von Hügelgrab (Erde) oder Cairn (Stein)
Bestimmt hast Du die Götter gefühlt.
Mich beeindrucken die Fähigkeiten sehr, mit wie wenigen Mitteln die Menschen in der Steinzeit solche Meisterwerke für kulturelle Zwecke gebaut haben. So viel Engagement, so viel Spiritualität, so grosse Zeiträume!
Lieber Michael
Auch im nachhinein sehr spannend zu lesen. 🙂 Es ist eine sehr eindrückliche Stätte.
Frage: Ist es ok für Dich, wenn ich diesen Blog einer Mitarbeiterin von mir weiterleite, die nächsten Sommer in die Bretagne verreist?
Herzlicher Gruss aus Kopenhagen 🙂
Claudia
Liebe Claudia
Ja, sehr gerne!
Viele Grüsse, Michael