Nachdem es gestern Nachmittag und fast während der ganzen Nacht wie aus Kübeln geschüttet und auch gestürmt hatte, hatte ich am Morgen tatsächlich Lust, schon um 7 Uhr mich im Pergola Pool von Waikite aufzuwärmen, bevor ich mich unter der Dusche stellte. Der Pergola Pool ist teilweise gedeckt, was seinen Namen erklärt. So genial, dass die Hot Pools ab 6 Uhr, noch vor der Öffnung für Besucher, für die Gäste des Campgrounds offen ist.
Es regnet immer noch, aber die Wetterprognose hat zwischen etwa 11 Uhr und 15 Uhr ein Zeitfenster ohne Regen und wahrscheinlich sogar etwas Sonnenschein angegeben.
Dieses Zeitfenster wollte ich nutzen und das geothermische Wunderland Wai-o-tapu (oder Waiotapu) besuchen. Es liegt ja nur wenige Kilometer von Waikite entfernt und ist mit deren Quellen ja unterirdisch verbunden.
Da das gesamte Gebiet geothermisch sehr aktiv ist, gibt es viele Orte, an denen man die geothermischen Erscheinungen (oder Wunder, je nach Betrachtungsweise) ohne Eintritt auf eigene Faust erkunden kann. Calderas und Felsgruben sowie natürliche Warmwasserbäche und -becken befinden sich in der gesamten Region. Einige sind nur nach einem Spaziergang oder einer längeren Fahrt im Gelände zu erreichen. Waiotapu bietet jedoch eine riesige Fülle dieser Naturwunder kompakt an einem Ort und einfach begehbar an.
Höhepunkte des Waiotapu-Geothermiefeldes sind:
- Der Champagner-Pool
- Riesige Vulkankrater
- Der Lady Knox Geysir
- Natürlich gefärbte warme und kalte Pools
- Sinter-Terrassenformationen
- Neuseelands grösstes blubberndes Schlammbecken
Als erstes mache ich bei den Mud-Pools einen Halt. Die Waiotapu-Schlammbecken erschienen an der Oberfläche, als die Seite eines alten Schlammvulkans wegerodiert war. Sie zeigen einen kontinuierlichen Zustand langsamer, sanfter Eruption eines aktiven Vulkans. Gase und Dampf aus dem Untergrund sprudeln ständig an die Oberfläche und bilden sich verändernde Blasenmuster. Wenn man einen garantierten Blick auf eine geothermische Reaktion ergattern möchte, dann sind die Schlammbecken ein guter Stopp. Diese Eruption findet kontinuierlich statt. Das Blubbern ist echt magisch!
Dann kaufe ich mir ein Ticket beim Visitors Center und fahre gleich zurück zum Geysir, welcher jeden Tag um 10:15 mittels etwas Seife zum Ausbruch gebracht wird. 150 Fahrzeuge wollen heute kurz vor 10 Uhr dort geparkt und kurze Zeit wieder herausgebracht werden.
Geysire sind äusserst seltene Phänomene, daher ist ein Ort, an dem man sie so leicht sehen kann, eigentlich etwas Besonderes. Die meisten Geysire kommen weltweit nur in fünf Ländern vor, und Neuseeland gehört dazu. Der Grund, warum sie so selten sind, ist, dass sie sehr spezielle Anforderungen an ihre Formation haben – sie benötigen heisse unterirdische Gesteine, eine grosse Wasserquelle, ein unterirdisches Wasserreservoir und Risse in der Erde, damit das kochende Wasser durchkommt. Das überhitzte, kochend heisse Wasser sprengt sich an die Oberfläche, wodurch riesige Dampfwolken und Heisswasser in die Luft geschossen werden. Lady Knox Geyser ist leider nur noch sehr unregelmässig aktiv, daher wird jeden Tag um 10:15 etwas nachgeholfen.
Die Vorführung ist etwas enttäuschend, denn die Aktivität ist recht klein. Zurück beim Visitors Center regnet es immer noch leicht und ich gönne mir einen kleinen Snack und einen Short Black in der Cafeteria. Die Wartezeit ist so lang, dass draussen inzwischen trocken ist.
Ich mache mich nun auf den Weg, alle drei Wege durch das Wunderland zu gehen. Die Wege sind als Rundweg miteinander verknüpft sodass man einen, zwei oder alle drei Wege zu einem kürzeren oder längeren Spaziergang verknüpfen kann.
Entlang der Pfade gibt es Informationstafeln und Schilder, welche die geologische Geschichte der Region erklären.
Als erstes (und letztes) kann man die Waiotapu Vulkankrater bestaunen. Aufgrund der langen und sehr volatilen Vulkangeschichte der Region – einschliesslich des Mt. Tarawera, der 1886 explosionsartig ausbrach, ein ganzes Dorf begrub und die Landschaft permanent veränderte – gibt es im ganzen Gebiet viele Vulkankrater zu erkunden.
Entlang des Boardwalks kann man in zwölf kleinere Krater hinuntersehen und das Blubbern höhren, den stinkenden Dampf einatmen und die Farben an den Wänden bestaunen. Die Krater haben einen Durchmesser von 5 bis 15 Metern und sind bis zu 20 Meter tief. Der neueste Krater ist Te Rua Whaitiri: Er wurde 1967 gebildet. Das Wasser in den Kratern ist bis zu 80°C heiss.
Die Geräuschkulisse des Kraters Rua Pumahu in der Lord of the Rings Trilogie als Soundkulisse von Mordor verwendet. Die verschiedenen Farben entstehen durch Oxidation von Mineralien:
- Braun/Rot: Eisenoxid
- Rosa: Manganoxid
- Gelb: Schwefel
- Pink: Zinnober (Quecksilbersulfid)
- Weiss: Kaolin
Eisenoxid wurde auch hier historisch mit Fisch- und Walöl vermischt und daraus eine Farbe (rotes Ocker) herzustellen und damit die Schnitzereien und Marae zu bemalen.
Dann können auch ein paar weitere Schlammpools beobachtet werden, welche Rohöl enthalten. Dieses würde früher abgeschöpft, um es dann in Kerosen-Lampen zu verbrennen. Die Grösse dieser Pools fluktuiert mit dem Zufluss von Regenwasser.
Das Highlight im Zentrum ist der Champagner-Pool. Der Name „Champagner-Pool“, welcher vor 700 Jahren durch einen geothermischen Ausbruch entstanden ist, ist auf das CO² zurückzuführen, das dazu führt, dass dieses erwärmte Gewässer ständig sprudelt. Es ist die grösste heisse Quelle Neuselands: 65m Durchmesser und 62m Tiefe! Die Wassertemperatur im Pool beträgt ca. 74°C und die Bedingungen sind stark sauer – dies ist kein Wellnessbereich. Es ist jedoch fantastisch bunt aufgrund der verschiedenen Mineralien in seinem Wasser: Gold, Silber, Quecksilber, Schwefel, Arsen, Thallium und Antimon sind darin zu finden.
Umgeben ist der Champagner-Pool von der Artists Palette, welche durch ihre sich im Licht verändernde Farbenpallette beeindruckt.
Man könnte hier ewig lange stehen bleiben und das Spiel der Dampfschwaden, die Blasen im Wasser und die Farben im wechselnden Licht betrachten.
Hinter dem Champagner-Pool kann man die riesige Sinterterrasse besichtigen. Durch die Explosion von Mt. Tarawera gingen dessen riesige und natürlich schön rosa und weiss gefärbten Terrassen verloren. Jetzt befindet sich Neuseelands grösste verbleibende Sinter-Terrasse in Waiotapu. Sie besteht aus Siliziumdioxidablagerungen und bildet erstaunliche Muster, die fast geometrisch aussehen. Die Terrassen entstehen seit etwa 700 Jahren und bedecken eine Fläche von 1.5 Hektaren.
Dann geht der Weg entlang mehrere mit sehr farbigem Wasser gefüllten Kratern. Der erste ist Te Puna Tio, welcher die Form einer Auster besitzt und schweflig ist. Die Umgebung dieses Kraters ist ziemlich instabil.
Der Wasserfall Puna o Ngakoro fliesst in den grünen Gewässer von Lake Ngakoro.
Dieser See wurde wahrscheinlich in einer hydrothermalen Eruption vor 700 Jahren geschaffen.
Im dauernd warmen Wasser des Sees kann eine Alge blühen, welche dem See diese grüne Farbe gibt. Ich hätte nicht vermutet, dass diese Farbe von einer Alge stammt und hätte auf etwas Giftiges getippt…
Ein weiterer Wasserfall Te Rer Arai Marena fliesst am Ende der Sinterterassen, auch dieser ist durch Algen und archaische Bakterien grün gefärbt.
Auf dem Rückweg sieht man weitere Krater. In Rua Owhanga nisten sogar Vögel (Starlings, Swallows, Mynas) in Löchern in den Wänden: Die aufsteigende Wärme hilft beim Ausbrüten der Eier und hält die Küken warm!
Der Krater Anga Whanariki hat schöne Schwefelkristallformationen an der Kraterwand, doch dann folgt nochmals ein farbliche Highlight zum Schluss des Weges: Roto Karikitea ist mit Wasser aus dem Champagner-Pool gefüllt und die übernatürliche wirkende Farbe stammt von Lichtbrechungen aufgelöster Mineralien im Wasser. Der Ph-Wert des Wasser ist 2, also extrem sauer. Die Wassertemperatur liegt bei rund 14°C.
Je Nacht Lichteinfall leuchtet der See etwas anders, faszinierend.
Den grössten Teil des Rundgang habe ich bei schönem und sonnigen Wetter absolvieren können. Was für ein Glück! Ich war doch tatsächlich über 3 Stunden zu Fuss unterwegs gewesen und hatte das Schönwetterfenster bis 15 Uhr perfekt ausgenutzt. Mir hat dieser interessante und inspirierende Spaziergänge sehr gut gefallen.
5 Minuten, nachdem ich Richtung Taupo losgefahren war, hat mich schon der erste starke Regenguss aus dunkelgrauen Wolken erwischt. So ging es dann bis Taupo weiter.
Auf der Rückfahrt beschäftigten mich gedanklich weiterhin die Grafiken der Schautafeln zum besuchten Gebiet.
Die Taupo Vulkanzone ist nämlich eine der aktivsten Vulkanzonen der Welt (aktuelle Situation):
- Diese Zone ist ungefähr 250 km lang und zwischen 30 km und 80 km breit und folgt einer nordöstlichen Richtung.
- Das nördliche Ende der Zone ist der aktive Vulkan Whakaari (White Island), 48 km von der Bay of Plenty Coast entfernt.
- Das südliche Ende wird dirch die Vulkane, Tongariro, Ngaruhoe und Ruapehu gebildet
- In dieser Zone befinden sich 17 wichtige hydrothermale Felder.
- Zwei dieser Felder tragen etwa 15% zur gesamten Stromversorgung in Neuseeland bei.
- Wai-O-Tapu befindet sich am Rande der größten Caldera der südlichen Hemisphäre, einer von vier Calderas in dieser Zone.
- In Neuseeland werden jährlich 14’000 Erdbeben aufgezeichnet (letzte aufgezeichnete Beben), davon sind 100 bis 150 stark genug, um zu einer gefühlten oder gar zu einer ernsthaften Bedrohung zu werden (letzte fühlbare Beben)
- Neuseeland gehört zu einem der erdbebenreichsten Länder der Erde
- In den letzten 170 Jahren waren die stärksten Erdbeben in Wellington (1855), Murchison (1929), Christchurch (2011) und Kaikoura (2016). Diese haben zu beträchtlichen Veränderungen der Landschaft geführt.
Auf was für einem Pulverfass sitze ich hier eigentlich? Und mein nächster Etappenort ist am nördlichen Ende des wunderschönen Lake Taupo, einem Kratersee eines riesigen Vulkans (wie die Auswertungen der Ascheusbreitunga zeigen), der in etwa alle 1’000 Jahre ausbricht. Der letzte Ausbruch fand vor rund 1’800 Jahren statt.
Als Teil des sogenannten pazifischen Ring of Fire schiebt sich vor der Nordinsel Neuseelands die Pazifische Platte von Osten her unter die Australische Platte und gleitet auf der Südinsel in der Alpine Fault in südliche Richtung an ihrem Rand vorbei. Auf der Nordinsel macht sich das durch die vulkanischen Aktivitäten von White Island, Mount Tongariro, Mount Ngauruhoe und Mount Ruapehu, den blubbernden Tümpeln von Rotorua und den Erhebungen der Ruahine Range, Tararua Range und der Rimutaka Range bemerkbar. Auf der Südinsel wird das durch die weiterhin andauernden Auffaltungen der bis zu 3’724 Meter aufsteigenden Neuseeländischen Alpen und dem höchsten Berg Neuseelands, dem Aoraki/Mount Cook sichtbar.
Aber in Taupo waren die Regenfronten dann aber durch, die Gedankengänge vorerst abgeschlossen und ich konnte tatsächlich nochmals ein paar Sonnenstrahlen geniessen und die Fähre auf die Südinsel (am Sonntag) sowie sicherheitshalber die Caravan Parks bis Ende des Jahres buchen.