Horizontal Falls während einer Springflut (oder wie ich „Kopilot“ wurde)

Ich hatte mich ja vorgestern bei Go Horizontal Falls Tours auf die Warteliste für den heutigen Tag setzen lassen und gestern die definitive Buchung bestätigt bekommen. Ich freute mich riesig auf diesen Ausflug und war schon vor 5 Uhr wach, was das Kaffeekochen etwas weniger stressig machte. Den Rucksack hatte ich schon am Abend vorher gepackt.

Heute um 06:25 wurden ich und eine Familie vom RAC Resort mit dem Bus abgeholt und zum Flughafen von Broome gebracht. Im Bus habe ich auch gleich noch Bekannte aus dem Windjana Gorge getroffen.
Am Flughafen stellte sich dann heraus, dass ich der 13. der Zwölfergruppe war, die in der zwöflplätzigen Cessna auf Cockatoo Island fliegen sollte. Yindi, unsere Pilotin, fragte mich dann gleich, ob ich der Einzelreisende sei und dass ich vorne mitfliegen würde. WOW!

Sie zeigte uns dann die Route des Rundflugs über der Kimberley, welche sie mit uns machen würde. Am Morgen geht’s entlang der Küste nach Cockatoo Island. Nach dem Boots Ausflug geht es dann etwa um 14:30 zurück via Horizontal Falls direkt nach Broome. Zwei Mal gut eine Stunde Flugzeit.

Go Horizontal Falls Tours hat als einzige die Lizenz zum Landen auf Cockatoo Island und zu diesem Bootsausflug quer durch die Insellandschaft, welche den Aboriginal gehört. Auf Cockatoo Island hat es einen kleinen Flughafen, weil von den 50er Jahren bis vor wenigen Jahren hier eine ergiebige Eisenerzmine betrieben wurde. Aktuell wird nur auf der Nachbarinsel Koolan Island (extrem reines) Eisenerz im Tagbau abgebaut. In 5 Jahren ist diese Mine komplett ausgebeutet, dann wird renaturiert und vielleicht nochmals Cockatoo in Betrieb genommen? Das passierte auch schon mit Koolan, da war vor ein paar Jahren eine richtige Stadt mit kompletter Infrastruktur drauf, dann hat man den Betrieb sistiert und alles rückgebaut und dann wieder angefangen. Das Eisenerz stammt aus einer Schicht, die von den Inseln schräg in den Meeresgrund geht. Es wird im Tagbau also unter Wasser abgebaut, verrückt.

Während des Flugs staunte ich auch wiederum, dass dieses riesige Gebiet halt doch überall ein bisschen von den Menschen eingenommen und bewirtschaftet wird. Viehzucht, bewässerte runde Plantagen, Wasserfassung des riesigen Grundwassergebiets, Perlenfarmen, Barramundi-Zucht und Tourismus.

Nur die Termiten scheinen noch eifriger am Erobern von Inseln zu sein: Auf jeder Insel hat es Termitenhügel!

Die Geschichte der im zweiten Weltkrieg von den Japanern angeschlossenen DC3, genannt „Diamond Plane“, welche auf dem Strand notlandete ist auch erzählenswert: Das historische Museum von Broome hat die Geschichte dokumentiert. Also los, auf die Schatzsuche!

Als wir dann auf die kurze Landepiste auf Cockatoo Island anflogen, konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass die reichen würde. Aber unsere Pilotin meisterte das souverän. Sie fuhr uns nach der Landung in einem Bus holpernd an den Strand, wo wir unser Ausflugsboot bestiegen. Der Skipper und unser Guide sowie 3 Kisten mit Getränken und Essen begleiteten uns.

Die Bootsfahrt zu den Horizontal Falls ist 70km weit. Wir genossen die Zwischenstopps und die Erklärungen unseres Guides. Auf der Mini-Insel östlich von Koolan machten wir einen kleinen Stopp an Land, genossen die geniale Szenerie und die Schwere der Eisenoxidklumpen. Das Gestein des Kimberley ist extrem alt und wurden vor hunderten von Millionen Jahren gefaltet und geformt. An den Farben und Falten der Inseln und des Gesteins kann man sich nicht sattsehen.

Mehrmals stoppen wir auch, um Delfine zu beobachten. Die Kinder können sich an Delfinen einfach nicht sattsehen.

So langsam stieg der Tidenstand auf das Maximum, was optimal für das Befahren der Horizontal Falls ist! Leider brennen vor den Falls viele Flächen illegal, was die Fahrt durch den Rauch ein kleines bisschen mühsam macht. Denn es ist fast windstill und es herrschen daher perfekte Bedingungen für eine Cruise.

Das Türkis das Wassers ist sowieso unbeschreiblich: Wenn es keine Wellen hat, kommt dessen Farbe noch deutlicher zur Geltung. Die Tidenströmungen wirbeln viel Schlamm auf, was diese schöne Farbe generiert.

Zum guten Glück trieb der minimale Wind den Rauch von den Horizontal Falls weg.

Wikipedia sagt zu den Horizontal Falls folgendes:

Die Horizontal Falls sind zwei gezeitenabhängige, wasserfallähnliche Ausgleichströmungen in der Talbot Bay in derwestaustralischen Kimberley-Region.
Obwohl es der Name zunächst vermuten lässt, handelt es sich bei den Horizontal Falls keineswegs um Wasserfälle, sondern lediglich um schmale Abflüsse von Seitenbuchten der den Gezeiten unterworfenen Talbot Bay.
Die Fliessrichtung ist abhängig von der jeweiligen Tidenphase. Während des Gezeitenwechsels drängen sich ungeheure Wassermassen mit hoher Geschwindigkeit durch die beiden schmalen Meerengen. Da der Abfluss wegen des geringen Querschnitts verzögert wird, haben die beiden Becken und die Bay abhängig von der jeweiligen Tidenphase einen unterschiedlichen Wasserstand, der Ursache der Ausgleichsströmung ist. Zusammen mit den Strömungseffekten entsteht so der Eindruck eines Wasserfalls.

In der Bucht von Derby, wo wir uns mehr oder weniger befinden, herrscht der zweitgrösste Tidenhub der Welt: Dieser kann bis zu 10.8m annehmen,

Die Strömungen im Wasser treiben unser Boot auch ausserhalb der Falls hin und her.

Dazu kommt, dass heute als Sahnehäubchen eine Springflut herrscht! Was sind wir doch für Glückskinder.

Wenn Sonne, Mond und Erde bei Neu- oder Vollmond aufeinandertreffen, erhalten wir die höchsten (und tatsächlich niedrigsten) Gezeiten, die als Springflut oder Nippflut bezeichnet werden. Tatsächlich dauert es einige Zeit, bis sich die enorme Wassermasse bewegt, sodass die Springflut tatsächlich einige Tage nach dem Neumond (oder Vollmond) einsetzt.
Wegen der Neigung der Erde um ihre Achse scheint die Sonne während der Tag-und-Nacht-Gleiche (Äquinoktium) genau über dem Äquator zu stehen. Wenn es ungefähr zur gleichen Zeit einen Leer- oder Vollmond gibt, dann können alle Kräfte das höchste Hochwasser erzeugen. Und wenn auch noch eintrifft, dass der Mond am Perigäum (in seiner Umlaufbahn der Erde am nächsten) ist, dann erzeugt das die grössten Fluten von allen.

Heute war das Herbstsäquinoktium (Equinox) und es gab eine Springflut! Man sieht an den Felsen, wie hoch das Wasser steht.

Es war schon toll, die Wassermassen durch die (grössere) Enge drückte. Wir sind dann mehrmals diesen Fall rauf und runtergedüst, mit ein paar Schlenkern durch die Stromschnellen im Ausgleichsbecken zwischen den beiden Falls. Das war besser als jede Achterbahnfahrt. Gewaltig, diese Energie und diese Wassermassen.

Der kleinere Fall ist zu schmal zum Befahren, daher hat der Kapitän das Boot rückwärts vor/in den Wasserfälle gestellt, damit wir alle Fotos machen konnten. Danach sind wir nochmals durch den ersten Fall hin- und zurück gedüst, einfach nur, weil es so genial war.

Nach diesem Erlebnis sind wir die 70km wieder in schneller Fahrt zurück. Aber nicht ohne einen ausgedehnten Lunch-Halt zu machen und die bei Hochwasser überfluteten Mangrovenwälder zu bestaunen. In den Kimberley kommen 19 von weltweit 26 Arten vor. Das sind verrückte Überlebskünstler und bieten ein riesiges Ökosystem für unzählige Lebewesen an. Aufgenommenes Salz scheiden sie über ihre Blätter wieder aus; Sauerstoff nehmen sie über ihre Wurzeln auf, die senkrecht aus dem Boden herausragen. Mangroven stehen bei Flut teils bis zu ihrer Krone im salzhaltigen Meerwasser.

Wir konnten auch das riesige Nest eines (Weissbauch-) Seeadlers und natürlich ihn selber im Flug und auf einem Baum wartend zu bestaunen. Wir hatten wirklich genügend Zeit, alles zu geniessen.

500 Liter Benzin haben wir heute mit dem Boot verbraucht. Mehr als üblich, weil es so viel Spass gemacht hat.

Auf Cockatoo Island sind wir dann wieder in’s Flugzeug gestiegen, und ich musste aus dem Kopilotensitz neidlos anerkennen, dass die Cessna keine lange Startbahn braucht. Aber auch hier nimmt die Pilotin die Seite der Start/Landebahn, weil die Mitte zu stark korrugiert ist.

Die Horizontal Falls aus der Luft waren leider durch den Rauch beeinträchtigt, aber der Flug war toll und ich konnte mich über Bordfunk unterhalten (was die hinten Reisenden nicht mitbekamen). Wider erwarten traten nicht so viele Luftlöcher und Seitenströmungen auf. Schon genial mitzukriegen, wie man ein solches Flugzeug steuert und wie die Kommunikation mit dem Boden abläuft. Das war fast genauso genial, wie der Ritt durch die Horizontal Falls.

Wenn man also rund 750 AUD (500 CHF) pro Person ausgeben kann, dann ist diese Tour unbedingt zu empfehlen.

Die Konkurrenten machen auch Halbtagesausflüge, allerdings mit Wasserflugzeugen fast direkt zu den Horizontal Falls (zu einem teureren Preis). Ich fand die schön lange Bootsfahrt durch die faszinierende Inselwelt und die vielen Erklärungen (von der Minenindustrie bis zur Flora und Fauna) fantastisch.

Ich kann verstehen, dass die Leute unheimlich stolz sind auf ihre Heimat.

1 Kommentar zu „Horizontal Falls während einer Springflut (oder wie ich „Kopilot“ wurde)

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