Zeesbootsegeln

Schon letzten Sommer wollte ich einmal mit einem Zeesboot über den Bodden segeln. Heute Morgen habe ich diesen Wunsch umgesetzt.

In Wustrow liegen die Zeesboote Butt und Bill vor Anker. Sie segeln Touristen mehrmals täglich raus auf den Bodden. Voller Stolz präsentieren die Skipper ihre liebevoll gepflegten Holzboote mit den typischen, braunen Segeln. Die Fischerboote wurden bis in die 70er Jahre noch eingesetzt. Dabei wurden die sackförmigen Fischnetze (die Zeesen) an Driftbäumen befestigt und über den Bodden gezogen indem man ohne Segel driftete. 

Die grosse Wasserfläche täuscht: Der Bodden ist nur einen bis maximal drei Meter tief! Wer im Bodden ertränke, sei zu faul zum Laufen, sagen die Einheimischen in ihrem trockenen Humor. Das Gehen ginge einfach, nur das Atmen sei manchmal schwierig. Trotz dieser recht guten Ausgangslage sind dieses Jahr schon 3 Touristen ertrunken: Die meisten, wohl eher älteren Semester, muten sich beim äusserst beliebten Skiten vielleicht zu viel zu?

Neben dem Fischfang hat Wustrow früher auch die Segelschiffahrt stark geprägt. Zur Blütezeit hatten 240 Schiffe in Wustrow ihren Heimathafen! Deswegen wurde im Ort die Grossherzogliche Mecklenburgische Navigationsschule gegründet, die später die Hochschule für Seefahrt wurde. Der Kirchturm der 1873 gebauten Backsteinkirche diente als Seezeichen und half den Seefahrtsschülern auf dem heute noch öffentlich zugänglichen Umgang das Navigieren zu üben. Die Hochschule wurde 1992 geschlossen und man weiss bis heute noch nicht, was man aus den leerstehenden Gebäuden machen will.

Nach dem Niedergang der Segelschiffahrt wandte man sich dem Fremdenverkehr zu. Und die heutigen Besucher lieben die kleinen Törns mit den Zeesbooten. Die 90-minütige Fahrt bietet viel Zeit zum Klönen und Geniessen während das Wasser leise an der Boardwand gluckert. Die Begeisterung der Skipper für ihr Hobby (oder ihren Beruf?) steckt an und macht richtig Freude.

Heute Morgen war ich nun mit einem Zeesboot Bill auf dem Saaler Bodden unterwegs. Bill wurde 1920 gebaut. Meine Hoffnung auf etwas Wind in der schwül-gewittrigen Wetterlage hat sich nicht ganz erfüllt. Aber zuerst den Volvo-Penta anlassen und aus dem Hafen raustuckern, dann den Wassergott (und die Gäste) mit einem kleinen Schnapsopfer gnädig stimmen, und los ging es! Es hatte aber wenig Wind, doch die Sonne schien und 90m2 Segelfläche nutzen auch das leiseste Lüftchen. Die drei Skipper (2×>70, 1×43 Jahre – letzterer 2facher Zeesboot-Regattasieger) hatten viel zu erzählen. Das war spannend und lehrreich. Auch wenn sie am Schluss noch von ihren Nöten mit den Auswärtigen, den Naturschützer und dem umtriebigen Tourismus berichteten. So als ob ihre 12 Gäste keine Touristen wären… Aber die Verdrängung der Einheimischen und der Abbau von lokaler Infrastruktur ist schon etwas beängstigend: Da kann ich den leisen Frust schon etwas verstehen und fand ihre norddeutsche Offenheit positiv authentisch. Aber auf der anderen Seite ist der Tourismus und die geschützte Nationalparklansdschaft auch eine wunderbare Einnahmequelle, was man vom Fischfang und der Landwirtschaft (Ausnahme siehe Erlebnishof Gut Darss) vielleicht nicht so ganz behaupten kann.

Nach der Wende wurde für so ein Zeesboot übrigens bis zu 300kDM geboten, jetzt noch ein Fünftel davon. Stellt euch vor, wieviel Geld das für die ehemaligen einfachen DDR-Bürger war! Und wegen der Naturschützer kann das in DDR-Zeiten vergiftete Boddenwasser (durch damalige Industriebetriebe) wieder fast trinken…

Wenn man dann tiefenentspannt und gut informiert wieder mittags im Hafen ankommt, meldet sich schnell der Hunger. Im Hafen kann man dahe frisch geräucherten Fisch (zuhause würde man dem Räucherofen natürlich neudeutsch Smoker sagen) kaufen und verspeisen. Etwa 6-8 Sorten stehen zur Auswahl. Sehr fein! Dabei kann man nochmals die Aussicht auf den Hafen von Wustrow geniessen. Den Geruch von Rauch und Räucherfisch geniesst man dann noch den ganzen Tag…

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