Heute scheint ein guter Tag für eine Wanderung im Tresticklan Nationalpark zu sein! Es ist trockenes und weitgehend sonniges Wetter vorausgesagt. Das soll sich dann morgen wieder ändern, denn es sollen ab Mittag wieder Gewitterregen durchziehen.
Eigentlich hatte ich mit zwei Übernachtungen in Ed, welches 22km Autofahrt südlich des Haupteinganges zum Nationalpark liegt, vorgesehen. Wegen der Wetterprognose wollte ich diese Wanderung aber schon heute machen und dann schauen, was morgen auf dem Plan stehen wird.
Das Aquädukt von Håverud
Da es aber noch früh am Morgen ist, möchte ich den kleinen Umweg nach Håverud machen, um dort nochmals das erfindungsreiche Aquädukt zu besichtigen.
Denn Håverud ist der einzige Ort in Europa (soweit bekannt), an dem Schiffe, Autos und Züge an einer Stelle auf verschiedenen Ebenen aufeinander treffen. Und das Aquädukt des Dalslandskanals ist schon eine geniale Ingenieurslösung.
Das Aquädukt in Håverud
Das Aquädukt des Dalslandskanals war eine geniale Lösung eines grossen Problems. Es schien hier wegen des weichen Felsbodens und des tiefen Tals, durch das der Fluss brauste, unmöglich, den vorgesehenen Kanal und die Schleusen zu bauen. Der verantwortliche Leiter des Projektes, Nils Ericson, befürwortete den Bau eines Aquäduktes über den schwierigsten Teil und empfahl den oberen Teil des Kanals auf eine Eisenkonstruktion auf den Felsen zu legen und so geschah es auch! Das Aquädukt ist eine 32.5 Meter lange Stahlrinne, die aus 33′,’000 Nieten zusammengefügt wurde. Er wurde von König Karl XV. im September 1868 eingeweiht.
In Håverud gab es seit 1872 eine Eisenhütte, aus der später eine Papierfabrik Håfreströms AB entstand. Diese zog in den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts in grössere Räumlichkeiten in der Nachbargemeinde Åsensbruk um. Es dauerte nicht lange bis die Räume mit Handwerksbetrieben, Ausstellungen, dem Touristenbüro, einem Restaurant, einer Räucherei, einer Sprachschule, einem Café u.a. belegt waren. Von hier legen mehrere Passagierschiffe ab, auf denen man Plätze für eine Reise auf dem Dalslandskanal buchen kann.
Das Aquädukt und die später entstandenen Eisenbahn-Hebebrücke und Autobrücke sind auch heute beeindruckend.
Heute kriegt eine Gruppe von zukünftigen Schleusenwärtern und -wärterinnen eine Einführung an einer der Schleusen. Und unten an der Anlegestelle am See wird schon der Motor eines alten Ausflugsbootes aufgewärmt. Um 10 Uhr wird es die tägliche Ausflugsfahrt nach Bengtsfors (und zurück) geben. Das wäre vielleicht eine Ausflugsmöglichkeit für morgen.
Die 15km lange Baustelle
Aber zuerst möchte ich meine Wanderung im Tresticklan Nationalpark geniessen. Doch das musste ich mir hart erarbeiten. Denn die Strasse zwischen Ed und dem Abzweiger zum Nationalpark war eine 15km lange Baustelle! Die Strasse wurde komplett neu gebaut und der Verkehr wurde auf dem sehr groben Schotterbett geführt. Und natürlich kamen einem zahlreiche riesige Lastwagen entgegen. Ich wollte nichts riskieren und fuhr halt entsprechend mit etwa 40km/h. Die Stichstrasse (mit einigen Schlaglöchern) zum Nationalpark-Haupteingang (Huvudentrén) war dann schon fast wieder eine Erholung.
Kurz nach mir kam ein weiteres Wohnmobil an. Im Gespräch kamen wir darauf, dass es knapp 20km nördlich die Fähre Sund-Jarenleden und auf der anderen Seeseite eine Strasse zurück nach Ed gibt. Das werde ich ausprobieren, um nicht nochmals diese Baustelle erdulden zu müssen.
Rundwanderung im Tresticklan Nationalpark
Im Tresticklan Nationalpark gibt es nur drei Wanderwege! Man kann zum Beispiel bis an die norwegische Grenze zur Hütte Budalsvika (4.5km, 2h) wandern, oder den Nationalpark in Nord-Süd-Richtung auf dem Orshöjdsleden (6.4km, 2.5h) queren. Ich wollte aber wieder eine Rundwanderung machen. Guten Mutes habe ich daher einen kleinen Lunch eingepackt und mich auf zur Bråtaneslingan (4.3km, 1.5h) aufgemacht. Diese muss man mit dem Bodalsvikenleden kombinieren und kommt total auf 9km. Startend vom Wohnwagenparkplatz erreiche ich nach ein paar hundert Metern das futuristische Gebäude des Haupteingangs des Nationalparks.
Das Trestickla-Gebiet ist ein bewaldetes Gebiet ohne Siedlungen und Strassen, das sogar für Götaland ungewöhnlich gross ist. Aus der Luft ähnelt das Gebiet einem Waschbrett. Die Topografie ist durch schmale, hohe Hügelkämme gekennzeichnet, die sich in Nord-Süd-Richtung erstrecken. Zwischen den Kämmen liegen Sumpfgebiete und lange, schmale Seen.
Tresticklan Nationalpark
Das Gebiet des Nationalparks ist die größten Wildnis Südschwedens – fernab von Strassen und Bebauung. Geprägt wird das hiesige Gelände von Naturwald sowie von einer Vielzahl an Seen und Mooren. Das zerklüftete Felsgestein erzeugt ein unverwechselbares Landschaftsbild mit schmalen, länglichen und nahezu kahlen Bergrücken. Geologisch betrachtet ist diese Geländeart international einzigartig. Der Wald im Nationalpark Tresticklan ist als solcher vollkommen unberührt von moderner Forstwirtschaft. Daher kann man hier viele für Primärwälder typische Tier- und Pflanzenarten antreffen.
Der Nationalpark verdankt seinen Namen dem größten See in der Gegend, dem „Tresticklan“, was so viel wie „Dreizack“ oder „Dreispitz“ bedeutet.
Das Gelände im Nationalpark Tresticklan ist geologisch ein Horst-Graben-System. Es entstand dadurch, dass Spannungen in der Erdkruste eine Platte des Urgesteins zerklüfteten. Die so entstandenen Gräben verlaufen oft parallel zueinander oder kreuzen einander in einem mehr oder weniger rasterartigen Muster. Wanderern im Nationalpark fällt schnell auf, wie leicht man sich in nord-südliche Richtung fortbewegen kann. Hier kann man kilometerweit den nahezu ebenen Felsrücken folgen. Dagegen ist das Fortbewegen in ost-westlicher Richtung aufgrund des hügeligen Charakters eher beschwerlich.
Heute liegt die Landschaft des Nationalparks Tresticklan brach. Viele Anzeichen weisen jedoch darauf hin, dass sie einst lange Zeit von Menschen bewirtschaftet wurde. Die frühesten Spuren menschlicher Aktivität sind Steinzeitfunde vom See Boksjön. Aber vor allem ab dem 18. Jh. weisen Karten und Literatur auf die Anwesenheit von Menschen in dieser Region hin. Allein auf dem Gelände des Nationalparks sind zehn ehemalige Wohnstätten bekannt, darunter Bodalsviken, Bråtane, Ekebräckan, Ekedrågen und Lövskogen. Die Ansiedlung Bråtane war bereits um das Jahr 1730 bewohnt und wurde 1904 aufgegeben.
Wer dem Bodalsviken-Weg zur norwegischen Grenze folgt, bewegt sich auf dem historischen Hallevägen, der ehemaligen Handelsroute nach Fredrikshald (Halden) in Norwegen. Diese Route verlief in ost-westlicher Richtung durch das Gebiet und führte an mehreren kleineren und grösseren Höfen vorbei. Wer im Gebiet östlich des heutigen Nationalparks wohnte, nutzte diesen Weg für Handelszwecke. Ein „Ausflug in die Stadt“ von 30 Kilometern dauerte oft zwei Tage, mitsamt Übernachtung beim Händler. Die beschwerliche Reise war nicht selten mit Gefahr für Leib und Leben, Hab und Gut verbunden, da in den Wäldern Räuber ihr Unwesen trieben.
Wenn der Weg also in Nord-Süd- oder Süd-Nord-Richtung geht, dann entlang eines der Hügelkämme, was ein recht einfaches Fortkommen bedeuten. Bewegt er sich jedoch in Ost-West- oder West-Ost-Richtung dann geht es rauf auf die Hügelkämme und wieder runter, dann über Bohlenstege durch die Sümpfe zwischen in den Tälern des Waschbretts. Dafür ergeben sich immer wieder tolle Ausblicke auf die schmalen, langen Seen. Ich habe machmal gedacht, dass ich diesen See doch schon mal gesehen hatte. Aber das war tatsächlich erst auf dem letzten Streckenabschnitt der Fall, wo der Hin- und Rückweg der selbe waren.
Unterwegs traf ich erst gegen Schluss auf weitere Wanderer, obwohl der Wohnwagen-Parkplatz (den wohl einige zum Übernachten nutzen – es hat wenigstens zwei Plumpsklos in dieser Abgeschiedenheit) fast komplett besetzt war.
Es war aber so ruhig, dass mir die Gesänge und Rufe der Vögel richtig auffielen. Leider hat es auf dem ganzen Weg nirgends eine Bank zum Ausruhen und zum Geniessen der Aussicht. Daher habe ich nach gut einer Stunde einen Stein als Sitzgelegenheit nutzen müssen, um meine Lunchbox leeren zu können.
Die abwechslungsreiche Runde sah dann so aus:
Nach 2h45′ hatte ich die 9km erwandert und war ich zurück auf dem Wohnwagenparkplatz.
Zurück nach Ed via Fähre und der anderen Seeseite
Am Ende der Stichstrasse bog ich links ab Richtung Nössemark. Nach gemütlichen 20km musste ich nur 20 Minuten auf die Fähre warten. Diese fährt regulär zu wenigen Zeiten, kann aber alle 30 Minuten mit einem Telefon angefordert werden. Meine Fährfahrt war eine reguläre, ich musste also nicht das Telefon benutzen. Kurz vor Abfahrt erschienen hinter mir auch noch eine Reihe von Autos. Auf der anderen Seite des Sees durfte ich auf einer perfekt ausgebauten Strasse die 35km nach Ed und meinem Ziel, dem Gröne Backe Camping, kurven. Dort hatte ich einen schönen, erhöhten Platz für zwei Nächte erhalten. Dieser Umweg hatte sich sehr gelohnt!
Was wird der Plan für morgen?
Ich war immer noch am Überlegen, was ich morgen machen würde. Denn die Baustelle wollte ich nicht nochmals befahren und eine Fahrt auf dem Dalsland-Kanal oder ein Besuch des Elchparks auf der gegenüberliegenden Strassenseite motivierten mich nicht besonders. Nach einem Besuch der alten und abgenutzten Duschen und der Küche war der Entscheid klar: Ich buchte die nächste Nacht als eine weitere an der Schärenküste von Bohuslän auf dem gemütlichen, kleinen Campingplatz in Fjällbacka. Das war tatsächlich das erste Mal auf meine Reise, dass ich von der Infrastruktur eines Campingplatzes enttäuscht war.



















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