Extremste Lebensbedingungen ermöglichen in Hamelin Pool eine sehr erfolgreiche Muschel und einen Einblick in ururalte Lebenswelten

Heute machte ich mich von Denham auf den Weg in’s 370km entfernte Kalbarri. An der Strecke nahm ich noch die letzten (last but not least) Sehenswürdigkeiten von Shark Bay mit.

Zuerst noch ein letzter Ausblick auf die Westküste bei Denham.

Etwa 30km weiter folgen dann die beiden Sehenswürdigkeiten, die man nicht verpassen darf.

In den Buchten der Shark Bay bei Hamelin Pool und bei Shell Beach wird der Wasseraustausch durch Seegraswiesen reduziert. Seegras fängt und bindet Muscheln und andere Ablagerungen und bildet Sandbänke, die den Wasserfluss behindern. Frisches Meerwasser fliesst zwar vom Meer über diese Schwelle nach Hamelin, aber nur wenig Wasser fliesst über die Schwelle zurück ins Meer. Mit nur etwa 200mm Niederschlag pro Jahr gelangt auch sehr wenig Süsswasser in Hamelin Pool. Aber auf den 132’000 Hektaren dieses flachen Beckens verdunstet auch viel Wasser. Dies konzentriert das Salz und andere Mineralien und macht es doppelt so salzig (5.5 – 7.0%) wie das Meer.

In diesem Gebiet ist auch die ultraviolette Strahlung der Sonne extrem, es wird sehr heiss (über 45° zwischen Dezember und März) und der Bereich zwischen Ebbe und Flut ist abwechselnd der Luft und dem Wasser ausgesetzt. Nur wenige Raubtiere und Konkurrenten leben hier, um die Anzahl von extremen Lebensformen (Extremophilen) zu begrenzen. In der Tat können die meisten Pflanzen und Tiere solche Extreme nicht überleben, so dass Extremophile wie mikrobielle Mattengemeinschaften den Platz meistens für sich alleine haben.

Ein Tier, das hier im supersalzigen Wasser gedeiht, ist die Herzmuschel. Sie lebt in Symbiose mit einer Alge und hat sich an die extremen Lebensbedingungen angepasst. In diesem hypersalinen Wasser ist diese Herzmuschel (Fragum erugatum) gewöhnlich viel kleiner als die gleiche Art in normalem Meerwasser. Aber was ihnen an Grösse fehlt, machen sie in der Anzahl wieder gut. Ohne Konkurrenten oder Raubtiere gedeihen hier Herzmuscheln so gut wie nirgends sonst. Es gibt so viele, dass sich die Muschelschalen der gestorbenen Muscheln am Strand stapeln, verdichten und zu Coquina zementieren, einem weichen Kalksteinfelsen. Nach 4’000 Jahren sind die Muschelberge auf bis zu 9 Meter gewachsen.

Während die Aborigines saisonalen Ressourcen folgten und nicht sesshaft waren, verfolgten die europäischen Siedler einen anderen Ansatz und errichteten zuerst ein dauerhaftes Zuhause. Von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren daher Muschelblöcke aus Coquina in diesem Gebiet ein praktischer Baustoff.

Einen dieser Coquina Steinbrüche kann man in Hamelin Pool besuchen. Und in Denham ist das Pearler’s Restaurant komplett aus Coquina gebaut. Die grösste Ansammlung der Muscheln kann man in Shell Beach an der L’haridon Bight bestaunen.

Aber man kann hier noch eine andere extreme Lebensgemeinschaft bewundern. Der Grund von Hamelin Pool ist mit mikrobiellen Matten bedeckt, Gemeinschaften mikroskopischer Lebensformen. Unter bestimmten Bedingungen fangen die Gemeinschaften Partikel ein und bilden Steine. In diesem Fall werden mikrobielle Matten zu Mikrobialiten. Mikrobielle Matten sind Schichten mikroskopischer Lebensformen. Manchmal bilden Mikrobialiten höhere Schichtstrukturen, die dann Stromatoliten genannt werden. Wenn wir auf die Grösse von Bakterien schrumpfen könnten, würden wir diese mikrobiellen Matten ganz anders sehen. Wir könnten die unglaubliche Vielfalt von Bakterien und anderen Mikroben in den Matten entdecken. Mit Tausenden verschiedener Arten, die nur wenige Millimeter einer Mikrobenmatte ausmachen, wäre dies für uns wie ein mikroskopischer Regenwälder. Tausende Arten bilden Gemeinschaften, die in mikrobiellen Matten zusammenarbeiten. Verschiedene Gemeinschaften unterstützen sich gegenseitig, indem sie unterschiedliche Elemente verwenden und unterschiedliche Produkte herstellen. Eine Gemeinschaft von Cyanobakterien wird durch Sonnenlicht angetrieben und wandelt Kohlendioxid in organischen Kohlenstoff und freien Sauerstoff um. Unter und neben den Cyanobakterien verwendet eine andere Gemeinschaft Kohlenstoff und Sauerstoff, um Produkte für eine Gemeinschaft von Fermentern herzustellen. Diese Gremeinschaft stellt kleinere Produkte her, die von einer weiteren Gemeinschaft verwendet werden, und so geht es weiter.

Aber mikrobielle Matten sehen nicht alle gleich aus. Am Hamelin Pool wird die Form und Textur von Mikrobenmatten durch die Wassertiefe beeinflusst, in der sie wachsen. Matten im Bereich zwischen Ebbe und Flut müssen stundenlang unter Wasser stehen und dann stundenlang der Luft ausgesetzt sein. Sogar diejenigen, die ständig unter Wasser sind, sind davon abhängig, wie tief das Wasser ist.

Und jetzt kommt das Highlight dieser ganzen Erklärung: Mikrobielle Matten sind die frühesten Ökosysteme der Erde. Erdgeschichte Sie existieren seit über drei Milliarden Jahren, also seit mehr als 75% der geologischen Geschichte der Erde. In den letzten zwei Milliarden Jahren beeinflussten Cyanobakterien in Mikrobenmatten die Evolution, indem sie Sauerstoff in die Atmosphäre abliessen. Durch ihre Arbeit stieg der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre, welcher ein Leben ausserhalb der Meere überhaupt erst in den uns bekannten Formen ermöglichte.

In Krisenzeiten, einschliesslich des Massensterbens welches das Zeitalter der Dinosaurier beendete, waren mikrobielle Matten unter den letzten, die vom Sterben betroffen waren, und sie waren die ersten, die in ökologische Nischen zogen, welche von anderen Arten freigelassen wurden.

Und wir können heutzutage diese uralte Lebensform in Hamelin Pool nur besuchen, weil dieses Habitat so extrem ist.

Mich haben Shell Beach und Hamelin Pool auch beim zweiten Besuch wieder zum Denken angeregt. Das merkt man vielleicht an meinen Ausführungen.

Wen solche etwas akademische Sehenswürdigkeiten auch begeistern, kann hier sogar in einem Caravan Park (oder bei der nahen Hamelin Station) übernachten und vom Beitrag der mikrobiellen Matten zur Evolution (und unserer eigenen Lebensform) träumen.

Es gibt übrigens auch im Lake Thetis bei Cervantes (als Teil des Nambung NP) Stromatholiten.

Im Lake Thetis gibt es mehrere Arten mikrobiellen Matten.

  • Sandblasen – die Blistermatte am Ufer des Sees: Bakteen in den oberen Sedimentschichten setzen Sauerstoff frei und bilden auf der Oberfläche „Sandblasen“, daher der Name „Blistermatte“ oder wissenschaftlich gesprochen eine Krenulatmatte.
  • Plattformen und Kuppeln: Die felsartigen Plattformen und Kuppeln auf den Bildern sind beides Stromatolithen, aber sie werden von verschiedenen Arten von Cynobakterien gebildet, daher ihre unterschiedlichen Formen. Wenn die Cynobakterien nach oben wachsen, binden ihre Aktivitäten Caiciumcarbonat an die wachsende Oberfläche. Die Bedingungen im See sind 1,5-mal salziger als die des Indischen Ozeans. Deshalb gibt es hier keine Fressfeinde, sodass die mikrobiellen Gemeinschaften Tausende von Jahren überleben können. Dunkle Bereiche auf den Plattformen und Kuppeln deuten auf ein feuchtes, aktives Wachstum von Cyanobakterien hin, die die Stromatoliten weiter aufbauen.
  • Lebendige Gemeinschaften in tiefeneren Schichten des Sees: Tief in der Mitte des Sees bilden Gemeinschaften von purpurnen Schwefelbakterien eine schlammige, ortsfeste Matte. Stürmisches Wetter kann diesen purpurnen Schlamm aber an das Ufer des Sees bringen. Auf dieser flockigen Matte und unter Steinen wachsen unter schlechten Lichtverhältnissen hellgrüne Schichten filamentöser Bakterien.

 

Weitere Vorkommen gibt es im Lake Clifton südlich von Perth. Diesen habe ich am 24.11. ein zweites Mal besucht.

Noorook Yalgorap ist der Nyoongar-Name für Lake Clifton. Die Nyoongar sind die traditionellen Besitzer des Landes. 1840 wurde der See nach Marshall Waller Clifton, dem damaligen Chief Commissioner der Siedlung Australind, Lake Clifton genannt. Der See erstreckt sich fast 20km parallel zur Küste und ist der am wenigsten salzhaltige aller Seen im Yalgorup-Nationalpark. Ursprünglich bildete sich der Wasserkörper vor rund 225’000 Jahren während einer Eiszeit als Lagune, als ein Grossteil des Ozeans als Eis eingeschlossen war und die Küstenlinien zurückgingen. Ein neues Küstendünensystem wurde dann durch Wind und Wellen gebildet und das Wasser im Landesinneren eingeschlossen: Dies schuf den Clifton-See. Heute wird das Wasser im See vom Grundwasser gespeist und der Wasserstand variiert das ganze Jahr über. Im Winter sickert ein beträchtlicher Zufluss von frischem Grundwasser in den See, wodurch der Wasserspiegel ansteigt. Umgekehrt trocknet der See im Sommer in drei flache Becken aus.

Der kalkreiche Mergel, der den Grund des Sees bildet, wurde in den 1920er Jahren abgebaut, um Zement herzustellen. Das Sediment wurde vom Grund des Clifton-Sees durch eine Rohrleitung zu Kalköfen auf der Ostseite des Sees gepumpt. Nach dem Trocknen wurde der Kalk auf der Schiene nach Waroona transportiert. Der Betrieb erwies sich jedoch als unwirtschaftlich und wurde nach nur wenigen Betriebsjahren eingestellt.

Lake Clifton ist als einer der wenigen Orte der Welt bekannt, an denen einige der frühesten bekannten Lebensformen (Thromboliten) noch heute existieren. Hier befindet sich das grösste Thombolit-Riff der südlichen Hemisphäre, das an einen See gebunden ist.

Bei meinem Besuch war der See schön gefüllt und ein starker Wind blies Wellen an das Ufer, wo sich Schaum bildete. Auf dem kurzen Spaziergang entlang der Promenade auf einem Boardwalk in den See hinaus und kann man mehr über diese prähistorischen Organismen erfahren und in Ruhe die Thromboliten und den See geniessen.

 

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