Nachdem ich in Kalmar (sonntags!) im grossen Supermarkt eingekauft und den Vorrats- und Kühlschrank für die nächsten 5 Tage aufgefüllt hatte, habe ich meinen Platz im FirstCamp Stensö-Kalmar eingerichtet. Auch hier habe ich unter einer Eiche einen schönen Platz mit viel Freiraum, allerdings brummt vernehmlich die ganze Zeit die Belüftung des Service-Gebäudes gleich gegenüber.
Der grosse Campingplatz liegt auf der durch einen Kanal getrennten Halbinsel Stensö gleich neben Kalmar. Da ich wie fast immer kurz nach Mittag eingetroffen bin, habe ich die Zeit genutzt, um den längsten Rundweg auf dieser Landzunge (Udde) zu machen. Lustigerweise heisst der Rundweg auch Linnérundan (wie in meinem Beitrag zum Vattenriket in Kristianstad) – der Grund ist die Linné-Universität von Karskrona.
Carl von Linné / Carl Linnaeus (1707 – 1778)
Der im 20. Jahrhundert wirkende britische Botaniker William Thomas Stearn fasste Linnés Bedeutung folgendermassen zusammen:
„Obwohl Linné als bahnbrechender Ökologe, Geobotaniker, Dendrochronologe, Evolutionist, botanischer Pornograf und Sexualist und vieles mehr bezeichnet wurde, bestehen seine einflussreichsten und wertvollsten Beiträge zur Biologie unzweifelhaft in der erfolgreichen Einführung der binären Nomenklatur für Pflanzen- und Tierarten, auch wenn diese Leistung nur ein zufälliges Nebenprodukt seiner enormen enzyklopädischen Tätigkeit war, um in knapper, präziser und praktischer Form die Mittel für das Erkennen und Erfassen ihrer Gattungen und Arten bereitzustellen.“
William Thomas Stearn: In: The Compleat Naturalist: A Life of Linnaeus. 2004
Daher muss die Beschreibung des Rundwegs natürlich ein paar botanische und geografische Erklärungen umfassen.
Start der Linnérundan
Da ich auf dem Campingplatz startete, habe ich nicht die ganze Runde (6km) gemacht. Meine Runde sah so aus:
Die KI hat mir vorgeschlagen hat, ich solle doch bitte in meinen Beiträgen zum besseren Verständnis Titel verwenden, so versuche ich es mal.
Die Runde startet im Kiefernwald des Campingplatzes. Bald wird dieser durch einen Eichenwald abgelöst und es eröffnet sich auf der Westseite der Ausblick auf Västra Sjön.
Ausblick auf Västra Sjön
Västra Sjön ist eine Bucht im Kalmarsund westlich von Stensö, daher der Name. Während der Wikingerzeit fuhren Schiffe über Draget, den engsten Teil von Stensä, den Västra Sjön hinauf. Mit Hilfe von Baumstämmen wurden die Boote nach Kalmarsund gezogen. Da der Wasserstand damals etwa einen Meter höher war, standen mehrere der heutigen Granitkuppen und Schären unter Wasser. Heute wird vor allem die Insel Stora Hatten genutzt, auf der sich ein Segelclub befindet, und Stora Tornskär, wo es einen Windschutz und einen Grillplatz für Outdoor-Interessierte gibt.
In Västra Sjön gibt es viele Vogelarten. Zu den häufigsten gehören Höckerschwan, Stockente, Pfeifente, Eiderente, Haubentaucher, Blässhuhn und Reiher. Wenn man Glück hat, kann man im Westsee Kegelrobben oder Seehunde sehen, obwohl deren Zahl im 20. Jahrhundert stetig zurückgegangen ist. Der Seehund kommt am häufigsten vor, reagiert aber empfindlich auf Störungen. Die Kegelrobbe ist sehr gesellig und tritt gerne in Rudeln auf. Ich konnte zwar Vögel, aber keine Robben entdecken. Auf den Steinen am Ufer stehend, verfolgten mich aber wenigstens keine Mücken mehr.
Es geht weiter durch einen wunderbar lichten Eichenwald. Die frühlingsfrischen Blätter der Eichen leuchten hellgrün im Licht der Sonne.
Durch den Eichenwald
Eiche ist eine der Baumarten, die von den meisten Arten (Flora und Fauna) genutzt wird. Vor allem alte Bäume beherbergen eine Vielzahl spezialisierter Arten. Auf der rauen Rinde alter Eichen sitzen viele verschiedene Flechten. Pilze verursachen verschiedene Arten von Fäulnis, die wiederum Bedingungen für viele Insekten bieten. Auch Vögel und Fledermäuse können in den entstehenden Hohlräumen Nester bauen. Erst wenn die Eiche mindestens 200 Jahre alt ist, hat sie alle unterschiedlichen Eigenschaften entwickelt, die diese spezialisierten Arten benötigen. Damit eine Eiche so alt wird, braucht sie viel Platz, da sie empfindlich auf die Konkurrenz junger Bäume reagiert.
Auf Stensö gibt es vor allem im nördlichen Teil eine Reihe wirklich alter Eichen. Sie wuchsen auf, als Stensö eine offene Weide war, und jetzt müssen junge Bäume, die daneben wachsen, manchmal abgeholzt werden, damit die alten Eichen nicht vorzeitig absterben. Weiter südlich fehlen die wirklich alten Bäume, aber auch den jüngeren Eichen muss Platz gegeben werden, damit sie zum Kapital der Zukunft werden können. In der Nähe kann man das Ergebnis der im Jahr 2012 durchgeführten Durchforstung sehen. Sowohl ältere als auch junge Eichenwälder müssen häufiger durchforstet werden, wenn die Bäume grösser geworden sind.
Abgestorbene Bäume und Äste sind auch für viele andere Arten, insbesondere Insekten, wichtig. Deshalb wird sämtliches Totholz belassen, das kein Sicherheitsrisiko darstellt. Bei der Durchforstung bleibt immer ein Teil der gefällten Bäume übrig.
Am Ende der Landzunge erreiche ich dann den Vasastein.
Ankunft beim Vasastenen
Der Vasa-Stein wurde hier im Jahr 1933 aufgestellt, zum Gedenken an die Tatsache, dass Gustav Vasa der Legende nach im Jahr 1520 hier gelandet ist. Bis 1851 befand sich an dieser Stelle ein prächtiges Denkmal. Als der Stadtpark am Schloss angelegt wurde, wurde das Denkmal 1879 jedoch dorthin versetzt, da es an seiner abgelegenen Stelle auf der Landzunge dem Vandalismus ausgesetzt war und damit mehr Menschen das Kunstwerk im neuen Park geniessen konnten.
Am anderen Ende der Landzunge Stensö steht ein weiterer Gedenkstein mit einer Inschrift. Es war Ludwig XVIII., der 1804 eine Inschrift zum Gedenken an sich und Gustav Vasa eingravieren liess, als er Kalmar besuchte und den Ort sehen wollte, an dem Gustav Vasa gelandet sein soll.
Zurück geht es dann auf der anderen Seite der Landzunge. Hier hat es weniger Mücken, und die Landschaftstypen an der Ostküste der Landzunge ändern sich.
An der Ostseite: Surviken (Überleben)
Ein Kampf zwischen Pflanzen und Meeresbucht hat hier eine Meeresuferwiese gebildet. Surviken war ursprünglich viel grösser, wurde aber durch Landhebung und Verschlammung kleiner. Auf beiden Seiten von Stensö gibt es unterschiedliche Arten von Stränden. Die Ostseite ist im Vergleich zur Westküste stärker dem Wind und den Wellen des Kalmarsunds ausgesetzt, mit Ausnahme von Buchten wie Surviken. Die unterschiedliche Lagen sind von Bedeutung dafür, welche Vegetationstypen auf Stensö vorkommen.
Das hier vorkommende Schilfrohr (Schilf) gehört zur Familie der Gräser und ist das höchste, gröbste und langlebigste Gras Skandinaviens. Manche Exemplare können über fünf Meter hoch werden und das Wurzelsystem kann eine Länge von zehn Metern erreichen. Es gibt Hinweise darauf, dass Schilf bis zu 600 Jahre alt sein kann, und vielleicht watete Gustav Vasa auf Stensö durch diesen Schilfbestand!
Aber auch im Zentrum der Landzunge kann man etwas über Geologie lernen.
Der Hügelkamm
Am Ende der letzten Eiszeit, vor etwa 10’000 Jahren, floss Schmelzwasser durch Risse im dicken Eis, welches das ganze Land bedeckte. Das Wasser brachte Sand, Kies und Steine mit sich, die sich vom Grundgestein gelöst hatten. Aus diesem Material entstanden Bergrücken oder Hügelkamm, die sich über die umgebende Landschaft erheben. Wenn solcher Bergrücken nie mit Wasser überdeckt war, bekommt er ein spitzes Profil und wird in Schweden „Ziegenrücken“ genannt. Auf Stensö gibt es jedoch einen Hügelkamm, der mehrmals von Wasser bedeckt war und durch die Wellen geglättet wurde, sodass er nicht mehr so deutlich sichtbar ist.
Hier mitten auf Stensö im Gebiet namens Höge ås können man erkennen, dass es sich um einen Hügelkamm handelt. Von Stensö aus geht dieser Hügelkamm weiter über Västra Sjön nach Boholmarnå. Der sandige und kiesige Boden oben auf dem Hügelkamm wird so trocken, dass dort keine Bäume und Sträucher nachwachsen, obwohl er nicht beweidet wird. Hier gibt es einige besondere Pflanzen, die auf trockenem, offenem Boden vorkommen und die warme, sonnige Umgebung ist auch für einige Insekten günstig.
Weiter geht es auf dem Weg. Ich bin total überrascht, dass vor mir eine Hirschkuh (oder ein Reh?) mit zwei Kitze auftaucht! Der zauberhafte Eichenwald wird wieder zum gewöhnlichen Kiefernwald.
Durch den Kiefernwald mit Kletterpark
Die auf Stensö zu sehenden Kiefern wurden ursprünglich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gepflanzt. Die Kiefer konkurriert hier teilweise mit der Eiche um Pflanzfläche. Es kommen auf der Landzunge kaum andere Baumarten vor. Die Wurzel der Kiefer ist tief und wird Pfahlwurzel genannt, wodurch sie tief ins Wasser vordringen kann. Die raue Rinde ist die Haut der Kiefer und schützt beispielsweise vor Feuer. Die Kiefer hat sowohl männliche als auch weibliche Blüten auf derselben Kiefer. Die Zapfen sind zweijährig und haben Samen, die sowohl Vögeln als auch Eichhörnchen gefallen. Eine alte tote Kiefer, die sogenannte „trockene Kiefer“, ist für Vögel wichtig zum Nisten und als Futter- und Aussichtspunkt für Greifvögel.
Für diejenigen, die in den Baumwipfeln klettern und schaukeln möchten, hat es jetzt in den Kiefern Upzone Äventyrspark, ein Kletterpark. Der war heute aber zu und hatte keine Besucher.
Und schon sehe ich zwischen den Kiefern die ersten Wohnwagen und Wohnmobile stehen. Zu meinem Camper ist es nicht mehr weit.
Zurück auf dem Campingplatz
Ich bereite mir in der nahegelegenen Küche das Abendessen zu und bin danach ganz erstaunt, dass mir die Wetter-App eine Unwetterwarnung für die Nacht anzeigt. In der Nacht beginnt es tatsächlich zu regnen und ich hole noch rasch den Campingstuhl rein. Am Morgen sehe ich dann, dass mein Camper durch viele heruntergefallene Blätter und durch unzählige verblühte Blüten der Eiche komplett versifft ist. Ich beseitige den schlimmsten Dreck, bevor ich mich dann nachmittags mit dem Fahrrad noch nach Kalmar aufmache.













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